Wer in Berlin heute durch manche ‚Kieze‘ (Quartiere) streift, kann an manchen Ecken unsicher werden, in welchem Lande er oder sie sich befindet. Im Gewirr der Sprachen bieten die Menschen, Schilder und Reklametafeln in und an den Straßen keineswegs mehr immer genauere Orientierung. Man sieht Passanten aller Hautfarben vorbeiziehen, die oft den Bekleidungskonventionen (oder -vorschriften) ihrer heimischen Kulturen und Religionen folgen, der Blick fällt auf arabische, kyrillische, hebräische, chinesische und allerlei südostasiatische Schriften, und man weiß, man bewegt sich auf multikulturellem Grund. Auch andere deutsche Großstädte sind heute durch die Vielfalt solcher semiotisch-kommunikativen Strukturen geprägt. Kein Tag vergeht, an denen in den Medien nicht das internationale ‚Flair‘ der Metropolen emphatisch besungen wird und gleichzeitig die ethnischen Minderheiten als fremde ‚Fluten‘ und ihre Quartiere als ‚Problemzonen‘ bedrohlich ins Bild rücken. In den Talkshows geben sich unverdrossene Multikulti-Optimisten und xenophobe Überfremdungskassandras die Klinke in die Hand und streiten mit immer wieder frischem Eifer über die alte Frage, ob ‚die Fremden‘ eine Gefahr oder eine Bereicherung seien.