„Die beste Alkoholprävention ist die Antiemanzipation“ : Die Debatte um geschlechtsspezifischen Alkoholkonsum und die zunehmende Abhängigkeit der Frau, 1950–1990 Translated title: The Best Alcohol Prevention Is Anti-Emancipation : The Debate On Gender-Specific Alcohol Consumption and the Increasing Dependence of Women, 1950–1990

Abstract

Der Beitrag widmet sich aus einer geschlechterhistorischen Perspektive der Geschichte von sowie Diskussionen über einen konstatierten Anstieg von Frauenalkoholismus in der Bundesrepublik. Seit den 1950er Jahren beklagt der psychiatrische, pädagogische und psychologische Diskurs einen zunehmenden weiblichen Alkoholkonsum und macht die Frauenemanzipation als dessen Ursache aus. Der Artikel beleuchtet die männlich dominierten Debatten über Frauenalkoholismus bis 1968 sowie anschließend einsetzende feministische Kritiken. Er analysiert die in den Diskussionen über „die trinkende Frau“ zum Ausdruck kommenden Veränderungen der gesellschaftlichen Rolle von Frauen sowie zeitgleich sich formierende wissenschaftlich-patriarchale Gegenbewegungen. Dabei zeigt der Beitrag zum einen, wie ein klassischer Suchtbegriff aufgrund des Scheiterns medizinischer Behandlungsversuche erodiert und durch neues psychosoziales Erklärungswissen ersetzt wird. Zum anderen verdeutlicht er, wie die Frauenselbsthilfe sich dieses Wissen aneignet und neu interpretiert.

Translated abstract

From a gender-historical perspective, this article deals with the history of and discussions around an observed increase in female alcoholism. Since the 1950s, psychiatric, pedagogical and psychological discourses have lamented the increasing consumption of alcohol by women, and identified women’s emancipation as its cause. The article examines the male-dominated debates on female alcoholism up to 1968 and the emerging feminist counter-movement that followed. It analyzes the shifts in the social role of women as expressed in the discussions about ‘the drinking woman’ as well as simultaneous scientific-patriarchal counter-movements. On the one hand, the article shows how a classic concept of addiction is eroding due to the failure of medical treatment attempts and is being replaced by new psychosocial explanatory knowledge. On the other hand, it illustrates how women’s self-help is appropriating and reinterpreting this knowledge.